Der Berg
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Ingenieurbüro Bogenschütz
DER CHO OYU EXPEDITIONSABLAUF
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6. Bericht vom 4. Mai 2009
 

Am 1. Mai gingen wir um 5.30 Uhr vom B.C. los mit Lager 2 als Ziel. Das Lager 1 wollen wir von nun an auslassen und nur noch im Notfall benutzen. Entsprechend weit war die heutige Etappe von 5300 m auf ca.6500m.
Wir gehen nun schon zum 4. mal durch den Kumbu-Eisbruch.
Er ist jedesmal anders; beeindruckend mit riesigen zum Teil sehr breiten über 100m tiefen Spalten, faszinierend mit kirchturmhohen Eistürmen und ebensolchen Abbrüchen und bedrohend durch die laufenden Veränderungen im Eisbruch und die ständigen Eislawinen.

 

Aber wir sind nun schon gut auf diese Höhe akklimatisiert und so hatten wir den fast 800m hohen Eisbruch (fast 4x Fernsehturmhöhe) schon nach 4,5 Std.durchstiegen und Lager 1 erreicht. Dort waren wir gerade dabei unsere restlichen Depotsachen (Essen, Gas, Isomatten etc.) für Lager 2 bzw. Lager 3 einzupacken, da tauchten auf einmal Ralf, Gerlinde,Hiro und David auf .Sie wollen den sehr schweren Lhotse besteigen und waren nach mehreren Nächten in Lager 2 u. 3 auf dem Weg hinab ins B.C. Ralf hat im Erfollgsfall als erster Deutscher alle 14 Achttausender bestiegen. Näheres über das Lhotse-Projekt unter diesem link (sehr interessant). Ralf gab mir noch ein paar gute Ratschläge und wir gingen nun unsere unspektakuläre aber spaltenreiche Tour weiter bis Lager 2. Ein bißchen müde legten wir uns ins Zelt, erholten uns und kochten den restlichen Tag auf unserem Gaskocher. D.h. hauptsächlich Eis schmelzen und viel trinken.

 

Am nächsten Morgen wollten wir eigentlich um 6.00 Uhr losgehen. Doch wir haben verschlafen und sind deshalb erst um 7.30 Uhr gestartet. Es geht zunächst durch das Tal des Schweigens, ein Talkessel begrenzt durch Everestsüd-wand, Nuptsenordwand und Lhotseflanke. Schon kurz nach Start kam die Sonne in den Kessel. Dies wurde mir fast zum Verhängnis. Unbarmherzig knallte die Sonne herein und sie kann dort Temperaturen bis +40° C erzeugen. Ich wurde immer langsamer und träger. Als wir nach ca. 2 Std. endlich den Lhotsewandfuß erreichten war ich nach meiner Auffassung fast schon platt. Ich war fast am aufgeben und stellte mir die Frage was ich in so einer Verfassung eigentlich an einem solchen Berg zu suchen habe. Aber so schnell gibt man nicht auf. Obwohl die eigentliche Schwierigkeit ja jetzt erst begann. Es galt die Lhotseflanke die überwiegend aus blankem Eis besteht über eine Höhe von 500 m bis ins Lager 3 zu durchklettern. In meinem Zustand dachte ich, komme ich keine 100 Höhenmeter weit. Zunächst muss der 80 Grad steile Bergschrund überwunden werden. Ich fühlte mich dabei immernoch total schlaff). In der anschließenden ca. 50Grad steilen Flanke ging es mir immer besser. Da es in der Flanke keine brennende Sonne mehr gab und welch ein Glück nur einen mässiger Wind fühlte ich mich immer stärker. So konnte ich nun zügig und konzentriert die restlichen 400 Höhenmeter aufsteigen. Da die Passage im Schnitt 45 Grad steil ist und auch 3 Teilstücke mit 60-65 Grad besitzt, geht man die meiste Zeit in Frontzackentechnik. Nach insgesamt 5,5Std. erreichten wir Lager 3 in ca.7400m Höhe. Für mich dann doch noch ein guter Tag mit folgendem Fazit: Nie mehr in der Sonne durch das Tal des Schweigens.

 

Nun galt es in der steilen Wand eine Plattform für unser Zelt zu bauen - normalerweise ca. 2-3 Std. Arbeit mit Pickel und Schaufel. Doch welch ein Glück es war eine fertige Plattform vorhanden. Irgend jemand mußte aus welchen Gründen auch immer aufgegeben und den Platz freigemacht haben. Also hatten wir heute auch noch das Glück des Tüchtigen. Deshalb nur noch Zeltaufbau und dann wieder kochen was das Zeug hält, denn Flüssigkeitaufnahme ist hier oben das Mass aller Dinge. Mir ging es nach kurzer Erholungspause erstaunlich gut. Kein Kopfweh, nichts. Pasang klagte über leichtes Kopfweh und Rückenschmerzen. Ich gab ihm eine Aspirin, es half. Für morgen war geplant (je nach überstehen der 1. Nacht in dieser großen Höhe), daß ich alleine wieder ins B.C.absteigen solle und Pasang zum Lager 4 (Südsattel) einen Materialtransport vornehmen sollte. Wir schliefen beide sehr gut und ich weckte Pasang um 4.00 Uhr und er verließ das Lager um 5.30 Uhr in Richtung Südsattel.

 
  Ich wollte nochmal in den Schlafsack und später absteigen, doch auf einmal fing es an stark zu winden. Ich wurde unruhig und schaute hinaus. Alles bewölkt, saukalt und leichter Sturm. Also nichts wie weg von hier. Schnell Marschtee kochen,Geschirrspülen und zusammenpacken. Um 7.00 Uhr begann ich mit dem abseilen, die 500 Meter hohe Lhotseflanke hinunter. Ich war gut gegen die Kälte geschützt mit Sturmbrille und Sturmhaube. Über den Händen Seidenhandschuhe und darüber warme Fingerhandschuhe. Damit ging das Abseilen (mit sicherer Achtertechnik) natürlich sehr gut und schnell. Aber meine Finger wurden nicht warm. Ausserdem war ich mutterseelen allein. Ich war in Sorge um Pasang. Hoffentlich drehte er bei diesen Verhältnissen rechtzeitig um. Aber ich hatte Vertrauen in seine Erfahrung. Bei mir konnte es ja nur besser werden je weiter ich nach unten kam. Nach etwa der Hälfte der Abseilstrecke kamen mir 4 andere Sherpas entgegen. Alle, um sich gegen den Wind zu schützen, dicht an die Wand gebeugt und nur sehr langsam vorwärtskommend. Wir wünschten uns "good luck" und weiter ging es abwärts. Schon bald erreichte ich den Wandfuss und zügig weiter hinunter durch das Tal des Schweigens. Heute ganz anders als gestern - saukalt und sehr windig. Im Lager 2 schnell meine Sachen im Zelt verstaut (Schlafsack etc.) und zügig weiter Richtung B.C., das ich um 13.00 Uhr erreichte.
         

Dort erfuhr ich voller Freude, dass Pasang sich über Funk gemeldet und er auf halber Strecke zum Südsattel ein Depot angelegt hat und dann gleich bis ins Lager 2 abgestiegen ist um dort die Nacht zu verbringen. So nun ist genug berichtet. Auch der letzte Teil der Vorbereitungsphase ist erfolgreich abgechlossen und nun gilt es auf ein Wetterfenster zu warten um den letzten Teil der Expedition anzugehen. Ich hoffe weiter auf Eure mentale Unterstützung und Euer Daumendrücken.


Bis dann Alois.

P.S. Soeben war Ralf hier und sagte, dass nun ein neuer Höhensturm (Jetstream mit über 100 Km/h Windgeschwindigkeit) aufkäme, der wohl bis ca. 10. Mai andauern soll. Also warten.